Antoni Gaudí litt schon in seiner frühen Kindheit an Gelenkrheumathismus. Er verbrachte daher viel Zeit in Ruidoms - wahrscheinlich war die ländliche Umgebung und das ländliche Leben eher für ihn geeignet als das großstädtische Reus. Dass er seines Rheumathismus wegen im 'warmen' Ruidoms sein musste, ist Unsinn. Reus war nur wenige Kilometer entfernt. Seine Krankheit verhinderte jedoch, dass er wie andere Kinder seines Alters sein konnte. Um trotz seiner Krankheit mobil zu sein, benutzte er einen Esel.
gaudiclub.com | gaudiexperiencia.com | gaudiallgaudi.com
In vielen Biografien wird der Zusammenhang zwischen seiner Krankheit, seinem Charakter und seiner Beziehung zur Natur besonders betont: Weil er unter Rheuma litt, weil er auf einem Esel ritt hatte er viel Zeit sich mit der Natur zu beschäftigen, hatte er einen 'zurückgezogenen Charakter', wurde er Vegetarier und Fan der Lehren von Sebastian Kneipp. Das ist jedoch der Stoff, aus dem Legenden gestrickt werden. Für alles und jedes wird eine einfache Erklärung präsentiert..
Näher an der Realität sind Erklärungen, die seine vegetarische Ernährung als ärztliche Behandlungsweise gegen sein Rheuma anführen und die 'Liebe' zu Kneipp, auf die positive therapeutische Wirkung der Kneippschen Anwendungen.
Seine Nähe zur Religion ist für die damalige Zeit keine Besonderheit - vor allem dann nicht, wenn man berücksichtigt, das er eine religiöse Schule in Reus besuchte: Les Escoles Pies Reus. Es ist die Schule einer Ordensgemeinschaft, gegründet von St. Joseph Calasanz (1557 - 1648), der sein Leben dem Kampf für die Rechte aller Kinder - insbesondere der armen Kinder - auf Bildung widmete. Der Besuch kann auch als Hinweis gedeutet werden, dass damals auch Regelschulen in Spanien nicht besonders für erkrankte Kinder wie Antoni Gaudí geeignet waren.
So wird auch gerne erzählt, dass sein Lehrer gesagt habe, Vögel könnten fliegen, weil sie Flügel hätten. Antoni Gaudí habe - dank seines scharfen Blick für Details - geantwortet: 'Die Hennen haben auch Flügel, benutzen sie aber um schneller zu laufen!' So scharf scheint der Blick denn nun doch nicht gewesen zu sein, denn Hühner nutz(t)en ihre Flügel tatsächlich zum fliegen, z.B. auf den Schlafbaum, um Hindernisse, z.B. Zäune zu überwinden oder um sich in Sicherheit zu bringen. Ohne Zweifel, sie sind keine begnadeten Flieger und benutzen ihre Flügel sicher auch, um schneller voranzukommen, aber hier wird so aus einer pfiffigen Antwort schnell ein 'frühreifes Kind mit einem scharfen Blick für die Details der Natur'.
Quelle: u.a. Zerbst, Rainer (2012): Gaudí - sämtliche Bauwerke, S. 7
Auch seine 'Begeisterung' fürs Wandern ist wohl mehr der Gesundheit geschuldet. Jeder Tag, an dem die Gelenke nicht in Anspruch genommen werden, ist ein Rückschritt. Eine andere Quelle berichtet, dass er auf Pferden geritten ist und auch in fortgeschrittenem Alter jeden Tag 10 km gelaufen ist.
Antoni Gaudí scheint also eher ein aktiver Mensch gewesen zu sein, der sein Leben trotz - oder genauer: gerade wegen - seiner Erkrankung in die Hand genommen hat.
Antoni Gaudí wurde in eine sehr unruhige Zeit hineingeboren. Katalonien war 'Schauplatz' der sog. Karlistenkriege. Zu seiner Geburt war der zweite Karlistenkrieg gerade beendet worden. 1855 brach der Konflikt regional für kurze Zeit wieder auf, als Prätendent Carlos VI. zu den Waffen rief. 1866 wurde die Herrschaft von Isabel II durch einen Aufstand in Madrid beendet. 1866 - 1868 traf Spanien eine große Wirtschaftskrise - Antoni Gaudí war 14/16 Jahre alt, von der auch die katalanische Textilindustrie, Eisenbahngesellschaften und Banken betroffen waren. Eine Folge war eine hohe Arbeitslosigkeit. Die Lage wurde duch eine Nahrungsmittelkrise - auch infolge schlechter Ernten 1867/68 - bedeutend verschärft. Die Lebensmittelpreise für Grundnahrungsmittel stiegen bis auf das sechsfache an.
Quellen: WP es
In Ruidoms besucht er verschiedene Grundschulen. Ab dem 11. Lebensjahr (von 1863 bis 1868) besuchte er eine religiöse Schule, ein klösterliches Gymnaisum: Les Escoles Pies (Colegio de los Padres Escolapios, Rainer Zerbst (2012) S. 232) in Reus. In der Schule zeigt er großes Talent für Zeichnen. Er entwirft auf Stangen montiertem Zeitungspapier Dekorationen für Theateraufführungen und illustriert die wöchentlich (insgesamt 10 Ausgaben mit einer Auflage von je 12 Exemplaren) erscheinende Schülerzeitung 'El Arlequín' seiner beiden Freunde Eduard Toda i Güell (* Reus 1855 - † Poblet 1941) und Josep Ribera i Sans (* Tivissa, 1852 - † Madrid, 1912). Die Chronologie im Ausstelungskatalog des Museums Villa Stuck berichtet von Buchsbaumzeichnungen.
Gaudí & Berenguer
Ein weiterer Schüler dieser Schule ist Francesc Berenguer (* Reus 1866 - † Barcelona, 1914). Antoni Gaudí und Francesc Berenguer haben sich hier noch nicht kennengelernt - der Altersunterschied ist zu groß. Später verbindet sie eine enge berufliche Tätigkeit und eine enge Freundschaft.
1867 wird eine Zeichnung von Antoni Gaudí von J.F. Ràfols veröffentlicht: Die Einsiedelei
Ana Maria Ferrin - Schulbescheinigung Coligio de Esculas Pias de Reus | gaudicentre.cat | Chronologie des Lebens und der Werke von Antoni Gaudí: in: Antoni Gaudí - Ausstellungskatalog Museum Villa Stuck, S. 233
Neben der Schule ist Antoni fasziniert von der Tätigkeit des Kupferschmiedens in der Manufaktur seines Vaters. Zusammen mit seinem Bruder Francesc hilft er auch bei Auftragsarbeiten aus. Gaudí bestätigt später selbst, hier gelernt zu haben in drei Dimensionen zu denken und zu handeln. Sein Mitschüler Eduard, mit dem ihn eine starke Freundschaft verband, beschäftigt sich vor allem intensiv mit den Ruinen des königlichen Kloster von Santa Maria de Poblet, welches im 19. Jhdt. mehrfach geplündert worden war. Gaudí entwirft 1870 das Wappen des Abtes Cuyàs de Poblet. Es entstehen Studien zur Restauration des Klosters, eingeleitet von Josep Ribera, Eduard Toda und Antoni Gaudí, Text und Plan von Eduard Toda. 1922 arbeitete letzterer an den Llegendes de Poblet.
Quelle: Chronologie des Lebens und der Werke von Antoni Gaudí: in: Antoni Gaudí - Ausstellungskatalog Museum Villa Stuck, S. 233
Mit 19 (1870) zog es Antoni Gaudí und seinen Bruder Francesc nach Barcelona. Antoni wohnte am Plaza de Montcada 12, tienda (Casa de Patricio Barnusell). 1871 wohnte er in der Calle Espaseria 10, ab 1872 dann am Montjuïc de San Pedro, 16, 4°
1873 entstanden als Studienarbeiten eine Zeichnung einer geneigten, vom Meridian abweichenden Sonnenuhr - sie ist heute im Museum in Reus zu sehen - und ein topographischer Plan vom Grundriss der Diputació in der Ronde in Barcelona.
Quelle: Chronologie des Lebens und der Werke von Antoni Gaudí, in: Antoni Gaudí - Ausstellungskatalog Museum Villa Stuck, S. 233
1873-78 Antoni Gaudí arbeitete als technischer Zeichner bei einem katalanischen Architekt: bei Josep Fontseré (1829 - 1897). Dieser hatte 1870 den Wettbewerb für die Entwicklung des Parc de la Ciutadella gewonnen. Zum Team gehören auch die Bildhauer Joan Flotats und Llorenç Matamala. ... m e h r
Quelle: WP es Josep Fontseré | WP es Parc de la Ciutadella | http://de.wikipedia.org/wiki/Exposici%C3%B3n_Universal_de_Barcelona_(1888)#Verbesserungen_in_Barcelona" target="_blank">WP de
1874 beteilgte er sich an einem Wettbewerb für das Pantheon von Josep Anselm Clavé im Ostfriedhof von Barcelona, zieht aber seine Bewerbung wie alle anderen zurück, damit Lluis Domènech ud Josep Vilaseca den Preis gewinnen konnten.
Quelle: Chronologie des Lebens und der Werke von Antoni Gaudí: in: Antoni Gaudí - Ausstellungskatalog Museum Villa Stuck, S. 233
Bis 1874 besuchte er die Vorbereitungskurse der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Barcelona. Er will Architektur studieren. Der Vater soll große Teile seines Grundbesitzes verkauft haben, um das Studium seiner Kinder zu finanzieren - allerdings vielleicht auch wegen der katastrophalen wirtschaftlichen Lage oder auch seines Alters, er war 56 Jahre alt, ein Nachfolger in der Familie nicht auszumachen.
Quellen: Stamm, Rainer und Schreiber, Daniel (Hrsg.)(2004):Gaudí in Deutschland - Lyrik des Raumes, Köln, S. 166
Er studierte an der l'Escola de la Llotja und der l'Escola Provincial d'Arquitectura de Barcelona. 1878 schloss er die Architekturstudien mit einem Diplom am. Nebenbei hatte er Kurse in Französisch, in Geschichte, Wirtschaft, Philosophie und Literatur (bei Francesc Llorens i Bara), Kunstgeschichte (bei Pau Milà i Fontanals) und Ästhetik belegt. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitete er als Zeichner für verschiedene Architekten und Bauherren. Und ebenfalls nebenbei absolvierte er seinen Militärdienst (1875 - 1878), allerdings war er auf Grund seines Gesundheitszustandes oft freigestellt. Er musste auch nicht am 3. Karlistenkrieg teilnehmen.
Er besuchte während seines Studiums oft die Ateliers der Schreiner und Bildhauer Eudald Puntí und Llorenç Matamala in der Carrer de la Cendra in Barcelona. Bei den beiden Künstler, die später Gaudís loyale Mitarbeiter wurden, lernte er die Kunst in der Architektur anzuwenden.
Quellen: WP es |
WP en |
gaudiexperiencia.com |
gaudiclub.com
Am 11.2.1873 wurde die 'Erste Spanische Republik' ausgerufen, die aber schon im Dezember 1874 wieder zusammenbrach. Der dritte Karlistenkrieg (die Zählung ist uneinheitlich) begann 1872 und endete 1876.
In der Zeit von 1873 - 1877 hat er auch den Entwurf für ein Zentralkrankenhaus in Barcelona erstellt.
Quelle: Rainer Zerbst (2012), S. 232
Antoni Gaudí war mit seinen 'Nebentätigkeiten' noch nicht ausgelastet. 1874 erstellte er einen Entwurf für die Cooperativa Obrera Mataronense - zwischen 1878 und 1882 plante er einen Fabrikbezirk mit Verwaltungsgebäuden, Gärten. einem Kasino, einem Servicegebäude, zwei Arbeiterwohnhäusern und er entwarf die Flagge der Kooperative (1). Die Angaben, was realisiert wurde sind widersprüchlich: Vielleicht die Verwaltungsgebäude, vielleicht auch das Servicegebäude. Übereinstimmend nicht das Kasino und die Arbeiterwohnhäuser. Es existiert aber nur die Bleichhalle (3). Gaudí verwendete erstmals parabelförmige Stützpfeiler aus drei Lagen miteinander verschraubter Holzbretter (2) und erreichte dadurch eine freie Hallenbreite von 12 Metern. Die Halle wurde restauriert und kann von der Straße her durch die gläserne Außenwand (nicht von Gaudí geplant) eingesehen werden(3).
Quellen: (1) gaudiclub.com | (2) gaudiclub.com | mein-barcelona.com | die Vergrößerungen (1,2) stammen aus den angegebenen Quellen
Er arbeitete als Assistent bei den Architekten Josep Fontseré an der Anlage des Parc de la Ciutadella in Barcelona. Er konzipierte einen Brunnen, der fast den ganzen Platz eingenommen hätte. Nach seinen Vorschlägen wurden jedoch die Gitter an den Toren und das Wassermannmedallion am Wasserfall realisiert. Mit Francesc de Paula del Villar i Lozano arbeitete er an der Einrichtung einer Madonnenkapelle in Montesrrat.
Quelle und mehr Informationen: Juan Eduardo Cirlot (2001): Gaudé, S. 188 | WP cat | Chronologie des Lebens und der Werke von Antoni Gaudí, in: Antoni Gaudí - Ausstellungskatalog Museum Villa Stuck, S. 100f
(Abb. 1) |
(Abb. 2) |
(Abb. 3) |
(Abb. 4)
Im Juni 1875 präsentierte er ein Aquarell, einen Steinbogen für eine Begräbnisfeier (Abb. 1), trat aber nach einem Disput mit seinem Professor August Font i Carreras zurück. Im September 1875 bestand er dann mit der Zeichnung im Fach Entwürfe mit der Note 'hervorragend'.
1876 reichte er ein Projekt ein, welches mit besonderer Auszeichnung bewertet wurde: Eine königliche Seehafen-Bootanlege an einem See (Abb. 2).
Für den Entwurf eines Lichthofes für den Rat der Provinz Barcelona (Disputació de Barcelona) erhielt er 1876 die Note 'ausgezeichnet'. Von dieser Zeichnung existiert nur ein Foto von M. Casanelles, das Ràfols 1929 veröffentlichte. (ohne Abbildung)
Quelle: Chronologie des Lebens und der Werke von Antoni Gaudí, in: Antoni Gaudí - Ausstellungskatalog Museum Villa Stuck, S. 98ff | weitere Informationen: (Abb. 1) WP org | WP ca August Font i Carreras | (Abb. 2) WP org | Stamm, Rainer und Schreiber, Daniel (Hrsg.)(2004):Gaudí in Deutschland - Lyrik des Raumes, Köln, S. 166 / die Vergrößerungen zu den Abb. 1, 2, 3 und 4 stammen aus den jeweils angegebenen Quellen bei WP.
1876 starb sein Bruder Francesc (1. Juli 1876) mit dem er nach Barcelona gegangen war. Francesc hatte Medizin studiert und starb, bevor er als Artzt tätig sein konnte. Seine Mutter starb drei Monate später (8. September 1876). Bald nach dem Tod seiner Ehefrau schloss der Vater seine Kupferschmiede und verkauft das Haus - vielleicht auch aus wirtschaftlichen Gründen, es war kein Nachfolger in Sicht, er war 63 - und zog zu seinem Sohn nach Barcelona. Antoni Gaudí behält aber trotzdem seine Kontakte zu Kunden und Mitarbeitern in Reus
gaudiexperiencia.com | gaudicentre.cat
1877 stellte Antoni Gaudí ein Brunnenprojekt (Abb. 3) vor. Es sollte für die Plaça Catalunya sein und er glänzte mit seinen schmiedeeisernen Kenntnissen, die er bei Josep Fontserè und seiner Arbeit am Parc de la Ciutadella erworben hatte. Das Bauwerk hätte aber fast den ganzen Platz bedeckt und war über 12 m /40 Fuss) hoch. Die Angabe in 'Antoni Gaudí' im Katalog des Museums Vila Stuck lautet: Höhe 40 m. Und ebenfalls 1877 seine Abschlussarbeit: Ein Auditorium für die Universität (Aula Magna) (Abb. 4), der mit der Bewertung 'd'aprovat per majoria' (mit Mehrheit) angenommen wurde. Das sei allerdings die niedrigste Note gewesen.
Quellen:
(3) WP org | (4) WP org | Gaudí, Architekt und Kunsthandwerker, in: Ausstellungskatalog: 'Antoni Gaudí (1852 - 1926)' (1986), Museum Villa Stuck, München, Druck: Barcelona, S. 101
Es wird berichtet, dass Antoni Gaudí seine (maßstäblichen) Modelle selbst gezeichnet und "sogar selbst fertigte - normalerweise eine Aufgabe der Kunsthandwerker -, um dann davon ausgehend architektonische Bauwerke zu entwerfen."
Zitat: Gaudí, Architekt und Kunsthandwerker, in: Ausstellungskatalog: 'Antoni Gaudí (1852 - 1926)' (1986), Museum Villa Stuck, München, Druck: Barcelona, S. 97
Es wird - wie bei z.B. Albert Einstein - an der Mähr gestrickt, Antoni Gaudí sei ein mittelmäßiger Schüler bzw. Student gewesen: Ein Genie wird in der Schule eben verkannt. Zumindest für seine Studentenzeit bescheinigt ihm Juan Bassegoda Nonell: "trotz guter Noten, manchmal sogar sehr guter, besonders im Fach Enwürfe, war er viel länger Student als die Mehrheit seiner Kollegen." Das scheint aber mehr am immensen Pensum zu liegen, welches Antoni Gaudí absolvierte.
Zitat: Nonell, Juan Bessegoda (13. 2. 1984): Mozart und Gaudi, in: Antoni Gaudí (1852 - 1926), Katalog zur Ausstellung im Museum Villa Stuck, München, Druck: Barcelona, 1986, S. 77
Elies Rogent, Direktor der l'Escola d'Arquitectura de Barcelona, übergibt ihm schließlich am 4. Januar 1878 sein Dipolm und bemerkt: "Wir haben den Titel einem Verrückten oder einem Genie gegeben - die Zeit wird es zeigen."
Beruf